Das verschwiegene Verbrechen an 181 slowenische Kinder und das bis heute verweigerte Gedenken
Im Jahre 2002 waren genau sechzig Jahre vergangen, seit dem das national-sozialistische Regime entschlossen hatte die, zum geopolitischen Interessensgebiet des Dritten Reiches gehörenden sogenannten südlichen Gebiete, endgültig von jenen Familien zu säubern, welche nach der vorherrschenden rassistischen Ethnopolitik der Nazis “nicht integrierbar” waren.
Im März 1942 fingen die “Säuberungen” erst in der Steiermark an und diese wurden dann im April in Südkärnten fortgesetzt. Von hier aus wurden innerhalb einer Nacht 300 slowenische Familien ins Reich umgesiedelt. Diese “Arbeit” des ethnischen Programms wurde im Sommer 1942 in der Steiermark wiederholt, und in Gorenjsko im Hochland Sloweniens beendet. All dies wurde aufgrund der “berühmten” 1941-er Mariborer Verordnung Hitlers hin durchgeführt, nach welcher dieses Gebiet “erneut deutsch zu sein hat”.
Um das Jahr 2000 erschien von den Kärntner Kapiteln dieser Ereignisse ein erschütterndes Buch, welches die, mit diesem Thema befassenden Forscher, als das traurigste Gedenken aufführen können.
Der Titel des Buches ist: Die Vertreibung der Kärntner Slowenen.
Das Buch ist ein nüchterner, wissenschaftlich dokumentierter Bericht, beziehungsweise eine Meldung über die durch die deutschen angewandten Methoden, über die durchgeführten Aktionen und deren Folgen.
Von den Methoden der durch die deutschen Nazis durchgeführten “ethnischen Säuberungen” fehlten auch nicht die mittelalterlichen Köpfungen, das Anzünden von Gebäuden inklusive der darin verbrennenden Frauen und Kinder. Da fehlten auch nicht die Erschießungen, massenhafte Einkerkerungen und natürlich auch nicht die zahlreichen “sanfteren” aber umso niederträchtigeren Methoden der menschlichen Grausamkeit. Die 300 ausgesiedelten Familien konnten nur das Nötigste mitnehmen. Innerhalb Deutschlands wurden sie in verschiedene Lager verbracht.
Viele von ihnen gingen an den unsäglichen Leiden zugrunde, starben an Hunger; aber viele wurden auch hingerichtet. In die verlassenen Heime der Slowenen wurden dann linientreue, verlässliche deutsche Bürger des Deutschen Reiches angesiedelt.
Viele dieser “reichsdeutschen Siedler” waren auch noch nach 1945 nicht bereit sich zurückzuziehen und die von ihnen in Besitz genommenen Gebiete an ihre ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben.
Es ist bekannt, das im ganzen Gebiet des einstigen Reiches nur in Kärnten die Macht legal durch die Hitlertreue Führung an die “bürgerliche” politische Elite übergeben wurde, wobei das mit ihnen “verbündete” und “demokratische” West-Europa dazu assistierte.
Die Geschichte der geraubten Kinder ist in diesem Rahmen ganz besonders und drastisch brutal. Viele von ihnen waren zu der Zeit noch im Säuglingsalter. Nach den krankhaften Gedankengängen der Deutschen bedeuteten diese Kinder “genauffrischendes Material”. Von den Kindern wurden besonders jene als “wertvoller” erachtet, die die strenge germanische Rassenselektion bestanden hatten. Es wurde als brillante Idee angesehen, wenn sie aus den Kindern ihrer Todfeinde - falls diese noch rechtzeitig geraubt wurden - mithilfe angemessener Erziehung eine eigene, neue Arierelite formen könnten. Dieses wäre ein rein technisches Unterfangen gewesen, welches ,in diesem “Umhang” versteckt, von niemandem nach dem herkömmlichen westlichen moralischen Richtlinien mit Argwohn betrachtet wurde.
Dafür hatten sie ihre eigene - Lebensborn - Ideologie und die dazugehörige Organisation (der Grundlage der Nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie der Erhöhung der Geburtenrate zur Zucht einer reinen, “arischen Elite” dienen sollte.)
SS Offiziere hätten die fehlende Kindermenge gesichert: entweder durch gesetzliche oder aber auch ungesetzliche Zeugungen, und letztendlich durch geraubte Kinder, da die natürliche Fortpflanzungsrate im Dritten Reich Hitlers zu gering war. Das große Reich konnte nicht warten, es musste sich mit dem Nachschub sehr beeilen.
Die Vermehrungsrate und die diesbezügliche Produktivität der dafür als geeignet befundenen ethnischen Gruppe musste gesteigert werden. Durch diese Aktionen verschwanden über 600 slowenische Kinder in Lagern und Lebensborn Heimen, sowie bei zuverlässlichen, “reinrassigen” germanischen Adoptiveltern. Von diesen Kindern sind heute noch etwas mehr als 300 am Leben.
Wenigstens 100 Kinder kamen nie mehr nach Slowenien zurück, da ihre Eltern umgebracht wurden und deshalb war nach dem Krieg niemand mehr da, der sich nach ihnen hätte erkundigen können. Manche der Kinder konnten erst nach sehr verworrenen Nachforschungen und juristischen Komplikationen in ihre ursprüngliche Heimat zurückgebracht werden. Diese Gräuel des Zweiten Weltkriegs spielten sich vor Kurzem erneut im Balkankrieg ab. Die Geschichte wurde wieder zur Realität.
Deshalb also ist die Rückerinnerung an den Kinderraub der Deutschen und an die im Jahre
1942 stattgefundene Aussiedlung der slowenischen Kinder eine für alle Zeiten geltende Mahnung an die Menschheit.
Gerade deshalb ist es für mich völlig unakzeptabel, wie diese Tragödie in der Oberpfälzer Gemeinde Kastl dermaßen aus der Erinnerung getilgt wurde. Sogar die lokalen Geschichtskundler wissen nicht darüber Bescheid oder wollen nichts darüber wissen und wollen nicht der an den Kindern begangenen Gräuel gedenken.
Dabei wächst die menschliche Grausamkeit und Unbarmherzigkeit, falls sie die Gelegenheit dazu bekommt, über jede Zeit- und Raumgrenze hinaus. Jene, die die Sünden der Vergangenheit verschweigen oder diese verfälschen, verhelfen in der Gegenwart den Schuldigen zu einem Freispruch. Im Bewusstsein der geschichtlichen Tatsache des Kastler Nazi-Kinderlagers, bin ich angesichts der im Jahre 2006 erfolgten Aussagen zweier CSU Politiker völlig erschüttert.
Eine davon ist die von Herrn Stefan Braun, dem der CSU angehörenden Bürgermeister, an die Mittelbayerischen Zeitung gegebene Erklärung. (Zitat).....“Es war kein Nazi-Lager,”
sagte Bürgermeister Stefan Braun
Die Andere ist jene von Herrn Dr. Harald Schwartz, ehemaliger CSU Landratskandidat des Landkreises Amberg-Sulzbach, CSU Kreisvorsitzenden und stellvertretenden Bezirksratsvorsitzenden, stammende Aussage im Sommer 2006, nachdem “..ich habe nicht zu der Zeit gelebt, das geht mich nichts an. Damit kann man mich nicht unter Druck setzen”...
Wenn jemand eine verleugnete und verfälschte lokalgeschichtliche Tatsache, das Thema eines gegen die Menschlichkeit gerichteten Verbrechens aufwirft, oder das eventuell aus der Versenkung bringt, so finden sich sofort einige, die lärmend die Ursachen mit den Folgen verwechseln. Es gibt solche, die auf alles und auf Jeden mit dem Finger zeigen, ausgenommen auf die geschichtliche Verantwortung ihrer eigenen Umgebung. Mehr noch, einige verweigern sogar das Gedenken, das Erinnern daran.
Die “geraubten Kinder” sind, als Opfer Zeichen einer der am widerwärtigsten und gefährlichsten und trotz dessen einer der am heimtückischsten und beständigsten Eigenschaften der europäischen “Zivilisation”, welches noch nicht endgültig in der geschichtlichen Versenkung verschwunden ist.
Der sechzigste Jahrestag der Verschleppung der slowenischen Kinder war 2002. Dieser Jahrestag war nicht nur eine bittere Erinnerung an eine unglücksschwangere Zeit, sondern kündete darüber hinaus auch von leuchtenderen Gedanken. Dieses Gedenken von 2002 richtete die Aufmerksamkeit auch auf etwas anderes.
Es warf auch ein Licht auf jene Tatsache, dass man mit Gewalt und durch Grausamkeiten im Grunde nichts wirklich Wahres, Menschliches zerstören kann; dass in den Herzen und Seelen der ehemals Verschleppten vor allem der Glaube an die Menschheit lebt, die feste Überzeugung, dass der Weg ihrer Eltern richtig war, auch wenn die Opfer noch so finster und bitter waren. Ihr Schicksal und ihr Glaube ist, dass man verzeihen kann, nicht aber vergessen. Diese Gedanken und letzten Schlussfolgerungen müssen im Wertesystem eines jeden europäischen Politikers vorhanden sein.
(Kmecl Matjaz)
Das Dekret Himmlers
Die Auflistung der Sammellager der geraubten slowenischen Kinder.
Wie gelangten die aus Slowenien verschleppten Kinder in die Oberpfälzer Gemeinde Kastl?
Die sich im Lager befindlichen, verschleppten Kinder (L.b.v.K.) wurden mit ihren am Leben gebliebenen Familienangehörigen zusammen festgenommen. In Celje wurden sie von den älteren Familienangehörigen und ihren Müttern gewaltsam getrennt. Die Väter wurden in der Regel erschossen, und die Kinder wurden in spezielle Isolierungslager gebracht. Solche Straf- und Unterdrückungsaktionen wurden durch die deutschen Besatzer während des II. Weltkriegs nur zweimal massenhaft durchgeführt, und zwar im August 1942. Die erste Verhaftungswelle von Familien und Kindern fand zwischen dem 3. und 7. August statt, und die zweite am 15. August.
Das anfängliche Auffanglager befand sich in Celje in der Deska okoliska sola
(Kreis-Knabenschule), welche heute den Namen “I. Grundschule” trägt.
Danach folgte das Durchgangslager in Frohnleiten in der Nähe von Graz. Aus dem Sammellager Celje wurde die erste Gruppe von Kindern am 10. August 1942 gebracht, die in der ersten Verhaftungswelle des August festgenommen worden waren.
Das Alter der Kinder lag zwischen 14 und 18 Jahren.
Am 20. August wurde die andere Gruppe von Kindern eingeliefert, welche in der zweiten Verhaftungswelle vom August festgenommen worden waren. Die genaue Anzahl jener Kinder ist unbekannt, aber sie war geringer als jene der ersten Gruppe.
Es wird geschätzt, dass sich nach dem zweiten Transport an die 600 Kinder in Frohnleiten befanden. Damals waren dort nur Kinder untergebracht. Ihre Eltern und ältere Familienangehörigen wurden erschossen, als Sträflinge verurteilt, oder in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht, was die meisten nicht überlebten. Im Lager Frohnleiten blieben die Kinder bis zum 18.September 1942. Von dort wurden sie in verschiedene, speziell für sie bestimmte Isolierungslager gebracht.
Diese Lager waren die folgenden:
(die Bezeichnung geraubte slowenische Kinder bezieht sich ausdrücklich nur auf die Insassen dieser Lager, und umschreibt diese ganz eindeutig)
Eisenstein - im tschechischen Protektorat (heute: Zelezna Ruda)
Himmelberg bei Metten
Kastl bei Amberg
Neumarkt bei Nürnberg
Mainburg-Hallertau
Neustift bei Vilshofen
Saldenburg bei Tittlingen
Seligenporten bei Neumarkt
Zeugenaussagen
Tercak Stane: Verschleppte Kinder
Der Leiter des Revolutionsmuseums von Celje, Tercak Stane, hat sein Buch mit dem Titel “Verschleppte Kinder” den minderjährigen slowenischen Lagerinsassen gewidmet. Die Erstauflage des Buchs erschien im Jahre 1962, die zweite, erweiterte Auflage erfolgte 1973.
Der Ursprung seines Titels beruht auf den Ereignissen, welche sich Anfang August 1942 in der Kreisschule von Celje (Deska okoliska sola) stattgefundene haben, als nämlich die deutschen Besatzer die Kinder mit Gewalt von ihren Eltern getrennt und die Schule in ein Sammellager umgewandelt hatten. Diese Tat, welche voll dem Begriff des Genozids entsprach, betraf in dem damals besetzten Europa 1260 Personen, von denen 600 Kinder waren. Darin enthalten waren auch jene 181 Kinderhäftlinge die nach Kastl kamen, sowie - unvollständigen Angaben zufolge- innerhalb der Erwachsenen auch 266 Mütter und 110 Väter, die im Todeslager von Auschwitz ums Leben kamen. Es gab auch solche Kinder, die nach dem Krieg nicht in ihre Heimat zurückkehrten.
Tercak Stanes Buch mit dem Titel “Verschleppte Kinder” dokumentierte in seiner ersten Ausgabe ausführlich die gewaltsame Aussiedlung der Slowenen aus der Steiermark und aus Gorensko. All dies wird in dem Buch von zahlreichen, an die Bevölkerung und an die Polizei gerichteten, ins slowenische übersetzten Befehle der Besatzer untermauert. Dieses Buch handelt indirekt und direkt von jenen Kindern, deren Eltern von den Nazis umgebracht wurden. Das Buch berichtet ausführlich von den durch die Kinder durchlebten Ereignissen und von jenem, ihnen auferlegtem Schicksal, sie in die Janitscharen der Neuzeit umerziehen zu wollen. In der zweiten Auflage seines Buches “Verschleppte Kinder”, berichtet Tercak Stane anhand seiner weiteren Nachforschungen, die er aufgrund des an den slowenischen Kindern durchgeführten Genozids durchführte, noch ausführlicher und in wesentlich mehr Details über die, während des II: Weltkriegs in der Steiermark und in Gorenjsko verübten Gewalttaten der Deutschen. Besonders erschütternd sind die Schilderungen der in den Kinderlagern durchlebten Gräuel und das was mit jenen, durch deutsche Familien adoptierten Kindern passierte.
Nach Ansicht des Autors des Buches “Geraubte Kinder”, ist es unmöglich alle Erlebnisse der Kinder und das was mit ihnen geschah, niederzuschreiben. Die Memoiren und Zeugenaussagen dieser Kinder, die einen Großteil ihrer Jugend in Nazilagern verbrachten - so unter anderem auch im Oberpfälzer Kastl- ist heutzutage kaum mehr vorstellbar.
Trotzdem ist das die grausame Wahrheit und auch gleichzeitig auch der Beweis an eines der größten Genozide des zwanzigsten Jahrhunderts.
IM NAMEN DER RASSE
Der französische Autor Marc Hillel widmet, zusammen mit seinem Coautor Henry Clarissa, in seinem Buch “Im Namen der Rasse” einigen, auch inhaltlich ausreichenden Raum, den geraubten Kindern. In diesem Buch schreibt er unter anderem wortwörtlich:
SS Reichsführer Heinrich Himmler verordnete in seinem Beschluss vom 25. Juni 1942 an seine Einheiten, in der Untersteiermark und in Gorenjsko wachsam gegenüber Widerstandsaktionen von Seiten der Partisanen und anderen jugoslawischen “Banditen” zu sein.
“Gegen alle jene Elemente der Bevölkerung, die die Partisanen unterstützen, muss erbarmungslos vorgegangen werden. Alle männlichen Angehörigen solcher Familien müssen ausnahmslos erschossen werden.
Ich erbitte gesonderten Bericht von der Anzahl dieser Kinder und von deren rassischem Wert.”
Obersteiner, einer der Stellvertreter Himmlers in Jugoslawien, schrieb folgendes an die VoMi (Volkdeutsche Mittelstelle)-Behörde :
Anhand der Anordnung des SS Reichsführers vom 25. Juni 1942, Logbuchnummer 323/42 (streng geheim) werden jene Kinder der Partisanen und anderer Widerständler, die nach rassischen und deportations- Kriterien ausgesondert werden, in Lager der deutschen Repatriationsbehörde gebracht..”
“Die in die Kategorie I. und II. fallenden Kinder zwischen 6 und 12 Jahren werden wir nach München in die Herzog Max Strasse, zum Lebensborn transportieren. Dort müssen die mit den entsprechenden Rassenmerkmalen ausgestatteten Kinder unter die Obhut der Lebensborn kommen, oder diese muss ihre Adoption in die Wege leiten.”
Diese Verordnung wurde durch die höhere Kommission der SS am 21. September 1942 anlässlich einer wichtigeren Sitzung in Bled (Slowenien) angenommen. An dieser Sitzung nahm auch Frau Inge Viermizt teil. Im dokumentierten Material dieser Sitzung ist besonders die folgende Passage von großer Wichtigkeit:
“Die Kinder der erschossenen Banditen müssen von ihren Müttern getrennt werden, damit sie die Kinder nicht in einer (den Deutschen gegenüber) feindlichen Gesinnung erziehen. Jene, die eingedeutscht werden können, müssen der VoMi Behörde überstellt werden.” (Dieses Dokument stammt vom Ausschuss der ehemaligen österreichischen Widerstandsbewegung)”
FEINDE DES LEBENS
In der Bundesrepublik Deutschland haben die Geschwister Hans Bomberger Mausbach und Barbara Mausbach in Frankfurt am Main, beim Rödenberg Verlag ein Buch mit dem Titel “Feinde des Lebens -NS Verbrechen an Kindern” herausgebracht. Das Buch erschien 1979. Reinhard Gündel aus Nordhausen hat vor Jahren den Verein jener Slowenen benachrichtigt, die die ehemaligen Nazi-Kinderlager durchlebt hatten. Herr Gündel war selber Gefangener in Hitlers einstigen Konzentrationslagern.
Reinhard Gündel hat alle Versuche höflich zurückgewiesen mit den ehemaligen verschleppten Slowenen in Briefwechsel zu treten, da er bestimmte Konsequenzen fürchtete. In einem kurzen Brief bat er den Verband ihm nicht mehr zu schreiben, da er nicht zum Verfolgten werden wolle. Er teilte auch mit, dass Hans Mausbach seinen Arbeitsplatz beim Röderberg Verlag wegen seines dort erschienenen Buch verloren hatte.
Der Verband erhielt jenen Hinweis, dass dieses Buch nur noch höchstens in Büchereien auffindbar sei. Aus diesem Buch, welches sich offensichtlich mit den Nazi- Kinderopfern der ehemaligen besetzten Gebiete befasste, schickte Gündel einige Auszüge:
Seite 204:
Im Oberösterreichischen Himmelberg waren slowenische Kinder, die von ihren Müttern und Vätern getrennt worden waren. Ihre Eltern wurden als Partisanen getötet. Den zurückgelassenen Kindern wurde mitgeteilt, dass ihre Mütter wahrscheinlich in Auschwitz ums Leben gekommen sind. Der Lagerkomandant war ein SS Offizier namens Schafhauser.
Seiten 209 - 210:
Die Zeugenaussage von Limmer Albert, den einstigen Versoger der Kinder. Vielleicht lebt er auch heute noch in Natzenhausen im Landkreis Mainburg, unter der Hausnummer 2.
Seite 210:
Es wird als VoMi Lager bezeichnet (Repatriationslager), dessen Führer ist ein SS Obersturmführer der vielleicht Panzer heißt. In Radertzhausen in der Nähe von Mainburg waren an die 60 jugoslawische Kinder untergebracht, die im September 1943 nach Seligenporten in das Lager Metten gebracht wurden.
Seite 220:
Es handelt sich um Kinder der Feinde, die nach dem Dekret Himmlers (1942.VI.25) als Kinder von Banditen gebrandmarkt wurden. So wurden im August 1942 mit dem Zug 10 jugoslawische Säuglinge in das österreichische Frohnleiten gebracht. Sie wurden in Körben angeliefert. Sie sollten zwar nicht umgebracht werden, jedoch als Sklavenarbeiter erzogen werden. Eines dieser Lager war im österreichischen Lebrechtsdorf.
(weitere Quellen: Sosnowski K.: Kindertragödien während der Nazizeit /Warschau 1962/; Stefanovic M.: Jugslawische Kinder während des II. Weltkriegs. Insgesamt wurden über 2000 Angehörige von Partisanen aus der Untersteiermark mitgenommen).
Die Kinder wurden erst nach Frohnleiten in das dortige Sammellager und von dort in die nachfolgenden, errichteten Kinderlager gebracht:
Saldenburg,
Neustift,
Vilshofen,
Himmelberg,
Seligenporten,
Eisenstein und
nach Kastl bei Amberg; im Letzteren befand sich das Lager in der siebenhundert Jahre alten Klosterburg, dort, wo ab 1957 ein von Ungarn gegründetes, internationales Gymnasium bis zu seiner Schließung im Jahr 2006 beheimatet war. Von hier aus wurden einige Kinder in die Anstalten der faschistischen Lebensborn verbracht, wo man sie zu Janitscharen hätte erziehen sollen. Der Leiter des Repatriationslagers (VoMi) in Bayreuth war ein SS Obersturmführer namens Panzer und sein Gehilfe ein SS Untersturmführer namens Braun.
Seite 23:
Auszüge aus den Berichten über die Kinder im Sammellager von Celje.
Die Kinder der getöteten Partisanen:
Auf dem außerhalb der Stadt gelegenen Dobro Polje, wo heute die Vrunca Strasse verläuft, stand 1942 entlang der Eisenbahnlinie neben dem Ufer der Savina, ein improvisiertes Sammellager. Hierher wurden die Familien aus dem Savina-Tal, aus dem Gebiet von Kozjansko, aber auch aus Maribor und Ptuj, interniert. Am 3. August wurden aus der Untersteiermark slowenische Familien hierher eingeliefert. Das Lager wurde von Soldaten des 19. Polizeibataillons bewacht. Die Internierten waren alle in ziviler Bekleidung, ohne jedes Abzeichen oder Nummer. Sie wurden nach einer zuvor erstellten Namensliste hierher gebracht. Im Erdgeschoss befand sich die Wachmannschaft und die Gestapo, und die Familien wurden auf dem ersten und zweiten Stock, sowie im Turnsaal untergebracht. In einem gesonderten Raum des Erdgeschosses waren an die 30 Säuglinge. Am 15. Mai 1942 wurde um das Lager Stacheldraht gezogen und es wurden Wachtürme errichtet. Einige Familien wurden in das im Kloster Reichenburg eingerichtete Lager umgesiedelt.
Während der ersten Welle der Festnahmen wurden in die Bezirksschule 1256 Personen eingeliefert, von denen 526 Kinder waren. Während der zweiten Festnahmewelle vom 18. August wurden weitere 220 Personen eingeliefert.
Was wurde das Schicksal der verschleppten slowenischen Kinder?
KL AUSCHWITZ - BIRKENAU (OSWIECIM - BREZINKA)
KONZENTRATIONSLAGER
Zalozba Obzorja Verlag, Maribor, 1982
47. Seite: (Zitat)
Am 15. August wurden auf dem Hof des Stari piskr (des Gefängnisses von Celje) 95 Geiseln erschossen, darunter auch 14 Frauen. Während der Hinrichtung wurden die festgenommenen Familien durch die Gestapo auf den Hof der Schule (welches das Sammellager war) getrieben, damit sie die Schüsse hören sollen. Unter den erschossenen Geiseln befanden sich auch ihre Liebsten.
Das kann man nicht vergessen!
Zavrsnik Stanislava: DIE TRÄNEN WAREN ZU VIEL
(Samisdatausgabe, Kamnik, 1998)
Seite 144 (Zitat)
Von Zuhause bekamen wir nicht viel Nachricht, aber hin und wieder erhielten wir manche Neuigkeiten. So hofften wir darauf, dass sich unser Schicksal zum Besseren wende und auch auf ein Ende der Gräuel. Die Post kam nur selten und nur wenige erhielten etwas. Vor den Nachrichten aus den Straflagern hatten wir immer Angst, damit diese ja nicht die Kunde vom Tod unserer Mutter oder unseres Vaters enthielt. Denn das war das Schrecklichste für uns. Wenn das eintraf, so weinten wir alle.
Rückerinnerungen an die Lager
(Zitat)
FROHNLEITEN
Am 10. August 1942 wurden wir in das österreichische Frohnleiten eingeliefert. Das Lager befand sich am Ufer der Mur. Es bestand aus zwei Reihen von Baracken zwischen denen sich ein großer, freier Platz befand, und ringsherum war das Lager von dichtem Stacheldraht von vielleicht einem dreiviertel Meter Höhe umgeben. Innerhalb des Lagers herrschte verschärfte soldatische Disziplin und ein besonderer Drill. Wir waren in zwei Gruppen unterteilt. Die Älteren (von 14 bis 18 Jahren) wurden von einem SS Offizier namens Basta gedrillt. Bald erhielt er als Gehilfen zwei Hitlerjugendführer; einer kam aus Sostanj und der andere aus Celje. Beide konnten auch slowenisch. Zu Deutschen wurden sie erst durch Hitler gemacht und war so, dass sie gar nicht mehr slowenisch sprechen wollten. Ihre Hauptaufgabe bestand im Verpfeifen.
Unsere erste erfolgreiche Aktion war der Boykott der deutschen Lieder während des Marschierens. Wir mussten in diesem Lager nämlich die meiste Zeit mit Marschieren verbringen und während dieser Zeit mussten wir Soldatenlieder singen. Sie wollten uns zu modernen Janitscharen machen. Aber wir wollten ihnen diese Freude nicht bereiten. Sie hatten unsere Väter, Mütter, Geschwister erschossen und wir sollten ihre Lieder singen?
Wir entschlossen, sollte der SS Offizier Basta uns zum Singen zwingen, dass wir dann schweigen. Umsonst schrie er: “Singen! Singen!”. Und dann fing es an. Auf seinen Befehl hin mussten wir laufen und kriechen. Sodann kam der erneute Befehl und es folgte unser Schweigen. Der Widerstand dauerte von vierzehn Uhr bis zwei Uhr des nächsten Tages. Schließlich musste sich der SS Offizier unserem Schweigen beugen. Er war vom vielen Schreien bereits ganz heiser, als er uns zum Ausruhen geleitete. Manche von uns konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten. Wir alle fielen auf die Holzpritschen nieder. Danach hörten sie mit dem soldatischen Drill auf.
(Orozim Joze)
(Zitat: Orozim Joze)
NEUMARKT
Mitte Februar 1944 wurden einige von uns von der Arbeit zurückgerufen und wir kehrten zum Lager zurück. Uns wurde mitgeteilt, dass wir zu unseren Müttern geschickt würden, d.h., zu jenen, die die Gräuel von Auschwitz überlebt hätten und die jetzt in das Lager in der Nähe von Ilsenburg, am Fuße des Harz Gebirges versetzt worden waren. Die anderen Lagerinsassen von Seligenporten, deren Eltern umgebracht worden oder die in Auschwitz umgekommen waren, wurden in das Neumarkter Lager umgesiedelt. Dort mussten wir in der Munitionsfabrik arbeiten. Wir arbeiteten am Zusammenlöten von Zündern für Panzerfäuste und Minen. Wir löteten die Zünder dermaßen, dass sich der Stromkreis außerhalb des Sprengstoffes schloss. So konnte dann keine Explosion erfolgen. Nur jene Zünder, die für die Kontrolle vorgesehen waren, machten wir richtig. Die Kontrolle wurde von verlässlichen Nazi-Meistern durchgeführt. Vor dem Eintritt in den Stahlbeton Bunker - denn wir arbeiteten in solchen, jeder für sich, wegen der Explosionsgefahr - musste der Meister alle Sicherheitsvorkehrungen treffen: er schaltete den Strom ab, mit einer besonderen Klingel kündigte er sein Kommen an, sodann öffnete er die schwere Eisentür, nahm die für die Kontrolle vorgesehenen Bund an Zündern entgegen, und schloss die Tür eiligst vor Angst wieder hinter sich zu. Gut zwei Monate vor Ende des Krieges versteckten wir zwei alliierte Piloten im Lager, die von der deutschen Flugabwehr abgeschossen worden waren. Nach einigen Tagen flohen alle Slowenen mit ihnen zusammen aus dem Lager. Während der Flucht wurde Franco Ploh von einem Granatsplitter an der Wirbelsäule verletzt. Zum Glück war die Wunde nicht groß, und die Blutung wurde von den Mädchen gestillt, die die Wunde mit zerrissener Unterwäsche verbanden. Nachdem wir im Wald ein Lager errichteten, wurde die Wunde auch durch die Piloten versorgt. Wir blieben ohne Nahrung und andere Mittel die wir für das Überleben brauchten. Einige von uns waren im Herbst des vergangenen Jahres bei Bauern aus Schwarzach zur Getreideernte eingeteilt gewesen. Dort haben wir auch einige antifaschistisch eingestellte Bauern kennen gelernt. Im Geheimen meldeten wir uns jetzt bei ihnen und baten um Hilfe. In der Mehrheit handelte es sich bei ihnen um Frauen mit Kindern und um ältere Männer. Frau Gerngross organisierte die Hilfsaktion und natürlich waren wie ihr dafür sehr dankbar.
Als uns die Amerikaner im April 1945 befreiten, fanden sie uns nicht gerade in einem beneidenswerten Zustand vor, sondern wir waren erschöpft, zerlumpt und krank. Die amerikanischen Soldaten richteten für uns Notunterkünfte im Bürotrakt jener Fabrik ein, in dem wir vorher gearbeitet hatten. Im Schutzraum unterhalb des Gebäudes entdeckten wir ein Lager für Lebensmittel und für andere lebensnotwendige Sachen. Wir wollten den Bauern, die sich um uns gekümmert hatten, damit wir im Wald überlebten, unseren Dank bekunden. Deshalb versuchten wir den amerikanischen Offizier zu überreden, ihnen etwas von diesen Nahrungsmitteln zu geben.
Nachdem sich auch die beiden Piloten unserem Bitten anschlossen, war dazu bereit. Ich ging zu Frau Gerngross, und als ich ihr sagte, was sie alles bekommen könnte und darüber hinaus auch noch die Erlaubnis der amerikanischen Streitkräfte um die Sachen sicher abtransportieren zu können, spannte sie ihr Pferd ein und fuhr damit nach Neumarkt.
Wir luden Lebensmittel, Waschmittel, Zucker, Salz, Kleider und sonstiges auf den Wagen auf. Natürlich waren wir während all der Zeit von Sorge erfüllt was mit unseren Geschwistern und Verwandten in den anderen Lagern passiert sein könnte. Mein jüngerer Bruder, Ernest, war in Kastl und ich beschloss dorthin zu gehen. Ich spannte das Pferd der Fabrik, einen sehr schönen, pechschwarzen Rappen, ein und fuhr los - natürlich mit der nötigen Erlaubnis.
Die Wiedersehensfreude war allgemein groß. Ich sagte, alle die in Neumarkt Geschwister haben, könnten mit mir kommen. Und so kamen auch einige, unter ihnen natürlich auch mein Bruder. Ich unternahm an die drei solcher Fahrten. Dann, eines Tages, trieb uns etwas unser altes Lager zu sehen. Wir sahen mit Schaudern, dass unsere Baracken nicht mehr länger standen. Die Nazis hatten diese vor ihrer Flucht vor den Alliierten, um ihre Zeichen der Schuld verschwinden zu lassen, durch Panzer niedergewalzt. Wir dachten darüber nach, dass auch uns dieses Schicksal hätte ereilen können. Die Alliierten richteten in Deggendorf einen Sammelplatz für die ehemaligen jugoslawischen Lagerinsassen ein, wo auch wir aus Neumarkt hingebracht wurden. Wir wurden in offenen Lastautos transportiert, und auf dem Weg verletzte ich mich dermaßen an der linken Hand, dass ich dessen Folgen auch heute noch spüre. In Deggendorf suchte ich mit Ernest unsere kranke Schwester Marija auf. Wir kehrten Ende Juli 1945, nach dreijähriger Lagerhaft, in unser zerstörtes und ausgeplündertes Heim zurück. Wir drei kehrten nach Nazarje zurück, wo wir gerade von jenem Mann willkommen geheißen wurden, der die Gestapo Leute geführt hatte, als man mich auf dem Einödhof von Lesje festgenommen hatte. Die Partisanen hatten mich nach der Hetzjagd von Cret dorthin versteckt. Ich erwähne den Namen des Betreffenden nicht, aber die Bewohner Von Nazarje und Dobletina kennen ihn gut zusammen mit seiner Vergangenheit. Persönlich will ich weder ihm noch seinen Nachkommen etwas Schlechtes, war er doch ein recht bekannter Funktionär in Nazarje gewesen. Von dort ging ich nach Maribor, nahm eine Arbeit an und von dem selbstbezahlten Lehrgeld erlangte ich eine hohe Fachausbildung.
Kastl
Im Spätsommer 1944 wurden wir aus Saldenburg per LKW nach Kastl transportiert, der so schnell gefahren ist, dass wir in Regensburg in einer Kurve fast umgekippt wären. Wir wurden im kürzeren Flügel des L-förmigen Gebäudes untergebracht. Das Gebäude stand auf einer Anhöhe oberhalb des Platzes und war von Mauern umgeben. Der Lagerleiter hieß Seeberger. Er war ein älterer SS Offizier, hager, blass, mit grüner Uniform, der seine preußischen Wurzeln, seine blinde Hingabe den Lehren von Clausewitz sowie seine brennende Dienstbereitschaft dem Führer gegenüber, nicht verleugnen konnte.
Er versuchte zusammen mit seinen Hitlerjugend Führern dem soldatischen Drill Geltung zu verschaffen - mit “Soldat-spielen” in den Wäldern etwas außerhalb der Mauern, mit Marschieren, dem Absingen von Marschgesängen, etwas, was unsere Kehlen fast nie verlassen wollte, obwohl wir deshalb so manches mal bis ein Uhr früh auf dem Hof im Kreis herummarschieren mussten.
Der Hitlerjugend Führer (so wir nannten ihn ironisch) war ganz anders. Vielleicht, weil er viel jünger und auf dem linken Arm invalide war (man sagte, er wäre an der Front verletzt worden und deshalb hätte er auch guten Grund gehabt, um den Krieg anhand seiner eigenen Erfahrungen einschätzen zu können).
Trotz seiner Invalidität spielte er auf der Trompete.
Er nahm die Trompete auf alle unsere Märsche mit. Wir haben ihm auch beigebracht - wer weiß, auf wessen Initiative hin- das slowenische Volkslied Tam za turskim gricem (dort, jenseits des Türkenhügels) zu spielen. Augenscheinlich gefiel ihm die Melodie so gut, dass er sie eines Morgens sogar zum Fahnenappell, zu unserer vollen Zufriedenheit, spielte. Dieses wurde ihm jedoch zum Verhängnis. Seeberger, der die ganze Zeremonie vom gegenüberliegenden Fenster aus beobachtete, eilte mit großem Getöse vor unsere Reihen und machte aus dem Fahnenappell einen Skandal.
Er kündigte dem Hitlerjugend Führer augenblicklich. Wir haben nie erfahren, was aus ihm geworden ist.
Hier füge ich die schriftliche Erklärung eines der Opfer bei:
In Zusammenhang mit Seeberger, der wegen jedem Ungehorsam heftige Ohrfeigen austeilte, erinnere ich mich eines Falles, welches sich in dem aus den ehemaligen Ställen gebildeten Speisesaal abspielte.
Die Kinder kauten an einem Tischende an Kohlrabi, saugten dessen Saft aus und warfen den Rest insgeheim in den, neben dem Tisch befindlichen Abfallkorb. Als er dieses sah, wurde er zornig; er ging zu ihnen an den Tisch und verlangte, dass sie diese Reste wieder aus dem Abfallkorb herausnehmen und ebenfalls aufessen sollten.
Selbstverständlich wartete er so lange, bis sie seinen Befehl ausgeführt hatten. Während seinem - zum Glück nicht sehr langem - Kommando geschah es auch, dass viele eher ihre Fersen mit Glasscherben verletzten, nur um nicht arbeiten oder auf den militärischen Drill gehen zu müssen. Und als wir für die deutschen Soldaten wilde Beeren pflücken mussten, schwindelten wir so, dass wir den Boden der Konservendosen, -die auf unserem Gürtel befestigt waren-, bis zur halben Höhe der Dosen anhoben, und so blieben die Körbe, in die wir die Beeren leerten, am Schluss halb leer. Wir wurden von großer Schadenfreude erfasst, als wir eines Tages hörten, dass auch Seeberger an die Front müsse. Wir alle wünschten, er solle dort bleiben und seine ihm zustehende Strafe bekommen. Seine Position wurde von seiner Geliebten, Frau Lauer übernommen. Mehr noch, langsam wurde es allgemein bekannt, dass das Ende des Krieges nahte, und ihr Sohn Martin, der letzte Hitlerjugend Führer, konnte niemanden mehr davon überzeugen, dass Deutschland nicht besiegt werden würde, obwohl er es am Anfang sehr versuchte.
(Erinnerungen von Hribar Drago)
Dauernd hofften wir auf unsere Rückkehr nach Hause - trotz der vielen Luftangriffe, während wir von der Wiese in den nahen Wald rannten, damit uns die niedrig fliegenden Jagdflugzeuge nicht niedermähten. Eines Nachts flogen über unser Lager Bomben hinweg, weil die Amerikaner (die damals bereits über dieses Lager Bescheid wussten) die Brücke auf dem Platz zerstören wollten, damit die eventuell dort stationierten deutschen Truppen sich mit ihren Panzern nicht auf das andere Bachufer zurückziehen könnten. Am Tage unserer Befreiung, was - wie ich glaube- am 16. April, fast am Geburtstag Hitlers stattfand, erschien bereits in der Früh eine größere Gruppe im Lager, vielleicht ein Bataillon deutscher Soldaten, die ihre Verteidigungslinien dort errichten wollten. Frau Lauer hat das verhindert. Von ihr hatten wir auch sonst keine schlechte Meinung, da sie sich uns gegenüber menschlich verhielt und uns helfen wollte. Sie erzählte uns, welche Gefahr uns drohte und sie versprach auch gleichzeitig, dass sie unsere Verpflegung auch nach unser Freilassung sichern werde, damit wir nicht litten; sollte einer von uns einen Einwand ihr gegenüber vorbringen, so sollte er es jetzt sagen, denn sie wolle nicht, dass die Amerikaner sie lynchten. Nachdem wir ihr versprachen, dass wir sie unterstützen, ging sie weg und kehrte nach ungefähr einer Stunde zurück. Die Amerikaner waren nur noch wenige Kilometer entfernt. Sie erklärte dem Kommandeur der Einheiten, die neben den Mauern Stellung bezogen hatten, dass diese Art der Verteidigung zum Tode aller auch der hier befindlichen jugoslawischen Kinder führen würde und auch große Opfern in der Gegend nach sich zöge. Sie fragte ihn, ob er sich darüber im Klaren sei, dass er eine doppelte Sünde beginge: das eine an uns, das andere an den Bewohnern der Gegend, denn die Alliierten, die bereits über unsere Anwesenheit wüssten, würden wenigstens genauso viele Leute aus der Gegend abschlachten. Der Kommandeur ließ seinen Führungsstab versammeln und er kam auch recht schnell wieder zurück, mit nur der einen Forderung, dass Frau Lauer ihnen Verpflegung für zwei Tage geben solle. In unserem Lebensmittellager befand sich Verpflegung für ungefähr vier Tage, wie sie es uns vorher gesagt hatte. Wir brachten ihnen die gesamten Lebensmittel. Sobald sie ihren Fuß aus dem Lager entfernten, kamen wir aus dem Keller hervor, um die nahende Schlacht zu beobachten. Einige Stunden später waren die ersten amerikanischen Panzer bereits auf dem Platz. Zuerst zwei jüngere amerikanische Soldaten zu uns und später ein Offizier höheren Ranges, der slowenischer Abstammung war. Er gab uns bekannt, dass wir von hier ausziehen müssten und deshalb für einige Tage bei der deutschen Bevölkerung am Platz eine Bleibe für die Nacht finden sollten, weil seine Soldaten hierher einziehen werden, und auch sonst würden wir bereits in Kürze nach Hause transportiert werden.
Wer nach Amerika gehen will, der solle sich melden - was natürlich keiner von uns wollte. Zuvor hatten die Soldaten uns Süßigkeiten angeboten, etwas was wir bereits seit drei Jahren nicht mehr zu kosten bekommen hatten.
Wir brachten ihnen vom Speicher unseres Gebäudes in Flaschen abgefüllten ungarischen und französischen Wein und auch andere Getränke, welches von den Deutschen kistenweise dort zurückgelassen worden war, und was bei den amerikanische Soldaten sehr gut ankam und uns gleichzeitig ein unterhaltsames Programm boten. Wir mischten uns unter sie und zum ersten Mal nach so langer Zeit amüsierten wir uns prächtig.
(Erinnerungen von Joze Pajer)
Der einstige Kindergefangene, Prof. Janez _mavc erinnert sich rückblickend so:
“Unsere Kinder-Gruppe vom Kleinkind bis zum 18 Jährigen wurde in die Gemeinde Kastl in der bayerischen Oberpfalz, in die ehemalige Benediktiner- Klosterburg in Kastl, deportiert. Zu dieser Zeit waren wir insgesamt 181 Kinder. Wir wussten die ganze Zeit über, dass man unsere Eltern hingerichtet hatte, und dass wir nur auf uns selbst, beziehungsweise auf einander angewiesen sind. Diese furchtbare Tragödie hat unsere ganze Kindheit bedrückt ........”
Zehn Jahre nach diesen tragischen Ereignissen waren 1955 in der “Amberger Zeitung” zu lesen, dass die Burg zwischen 1940 und 1951 als “Flüchtlingsunterkunft” diente.
Dieser Begriff ist jedoch meilenweit von einem „Nazi-Kindergefangenenlager“ entfernt!
In der Chronik Kastl ist folgendes nachzulesen: http://www.kastl.de/geschichte.php
Die nachfolgende Zusammenfassung der Kastler Geschichte ist diesem Heft entnommen. (Zitat: "Kastler Heimatbücherl")
1935: Ein weiblicher Arbeitsdienst gesellt sich dazu. Ca. 50 Mädchen mussten ihren halbjährigen Arbeitsdienst ableisten, wo sie bei kinderreichen Familien und bäuerlichen Betrieben zum Einsatz kamen. Die geschlossene Unterkunft sorgte für nationalsozialistische Erziehung.
Ist Kastl das „Bermuda-Dreieck” der Geschichte, wo die peinlichen Jahre der Geschichte verschwinden?
Wo bleibt das Mahnmal an die nach Kastl deportierten Kinder?
Wie z.B. an:
Weinberger Minka, Weinberger Zvonka,
Babitsch Dusan, Levar Anton…und den
Weiteren 177 Waisenkindern aus Slowenien.
Und es gibt auch noch etwas anderes! Während all der teuflischen Jahre des deutschen Nationalsozialismus und auch noch viele Jahre danach, war ein und derselbe Mann der Priester und katholische Pfarrer von Kastl: Alois Kornburger, der 1959 hoch angesehen verstarb
Auch während 1942 bis 1945 hielt er die Predigten, nahm die Beichte ab und teilte die Kommunion aus, während die Bewohner der Gemeinde beteten; und gleichzeitig dachten auf der anderen Seite der Kirche 181 slowenische Waisenkinder daran, was wohl mit ihren, nach Auschwitz verschleppten Eltern sein könnte und was ihr eigenes Schicksal, ihre Zukunft wohl sein würden. Auch dann schlugen die 700-jährigen Glocken im Turm der Klosterkirche viertelstündlich, aber diese fünfzehn Minuten erschienen in den Jahren zwischen 1942 und 1945 als sehr lang.
Nach fast fünfzig Jahren muss endlich die Frage gestellt werden:
was hat dieses Gymnasium, welches immer reich an internationalen Inhalten war, dem Leben dieser kleinen Ortschaft gebracht? Wieso kam das einzige Gymnasium der ungarischen Emigranten Westeuropas gerade nach Kastl, in diesen eher kleinen und nicht gerade bedeutenden Marktflecken Ostbayerns?
Das durch den Ungarischen Schulverein (USV.e.V) gegründete Ungarische Gymnasium hat einen Schleier über jene, bis zum heutigen Tag verschwiegene und verfälschte Nazivergangenheit der Ortschaft Kastl gelegt. Wieso konnten die örtlichen politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen bis zum heutigen Tag bequem mit einer verfälschten geschichtlichen Vergangenheit leben?
Die Antwort darauf ist sehr einfach!
Deshalb, weil diese bis zum heutige Tag versteckte und verschwiegene „dreckige Wäsche” der Geschichte gerade durch die ungarische Gemeinschaft dieser Gemeinde reingewaschen wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Über ein halbes Jahrhundert hindurch kamen und gingen Abgeordnete, Landräte und Bürgermeister und alle überboten sich gegenseitig mit ihren Versprechungen.
Sie haben sechzig Jahre lang gewartet. Sie haben sechzig Jahre lang auch das bedeutungsloseste Nichts gefeiert, Dorffeste, Bierfeste, und wer weiß, was sonst noch alles. Sechzig Jahre lang haben Sie auf diesen Festen gut getrunken, gegessen und gejauchzt, aber nicht einer von Ihnen hat auch nur auf ein Maß Bier verzichtet, um vom Preis dessen eine Gedenktafel für die 181 verschleppten slowenischen Kinder zu erstellen und auch für diejenigen, die aus der Kastler Klosterburg, die zwischen 1942-1945 ein Nazi Kindergefängnis war, ein internationales Gymnasium erschufen. Das war nicht nötig, denn das durch den Ungarischen Schulverein (USV.e.V) gegründete Ungarische Gymnasium war wohl gut genug, um die Grausamkeiten der Nazizeit in Vergessenheit geraten zu lassen.
Da diese Ortschaft erst wieder durch den Ungarischen Schulverein zu internationaler Anerkennung erhoben wurde, fühlen wir uns moralisch dazu befugt, die mit der politischen und gesellschaftlichen Leitung des Amberg-Sulzbacher Landkreises betrauten Personen mit Nachdruck dazu aufzurufen, innerhalb von zwei Monaten ein Denkmal zu errichten.
Sie sollen ein Denkmal für die im Jahre 1942-1945 durch deutsche Sondereinheiten aus Slowenien verschleppten 181 Kinder errichten. Zum Gedenken an all jene slowenischen Kinder, deren Eltern entweder dort vor Ort, vor den Augen der Kinder erschossen oder aber in Auschwitz vernichtet worden sind.
Sie sollen auch dem Ungarischen Schulverein (USV.e.V) und seiner geistlichen Leitung ein Denkmal setzen, die an Ihrer Stelle diese grausame Nazivergangenheit beseitigt hatte und die im Regierungsbezirk der Oberpfalz das erste international ausgerichtete Gymnasium nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete, welches erst das „Kastler Ungarische Gymnasium” war und später zum „Europäisch-Ungarische Gymnasium” wurde.
Der erste Vorsitzende unseres Schulvereins, Päpstlicher Prälat Prof. Dr. György Ádám, erhielt 1977 den Bayerischen Verdienstorden. In der Geschichte der Gemeinde Kastl war Prof. Dr. György Adam der einzige, der solch eine Auszeichnung erhielt.
Wer wird dem schulgründenden Ungarischen Schulverein ein Denkmal setzen, wer dem, mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichneten päpstlichen Prälaten, Herrn Mgr. Prof. Dr. György Ádám, wer dem Benediktiner Ordensmann Herrn Dr. Ireneusz Galambos, den hochwürdigen Herren und päpstlichen Prälaten Dr. Ferenc Harangozó und Dr. Géza Valentiny und all denjenigen, die die Ortschaft Kastl vor der ganzen Welt bekannt gemacht haben? Die gegenwärtigen Chronisten sind bis heute der Vergangenheit und der Erinnerung schuldig.
Jetzt, da wir des fünfzigsten Jahrestages des ungarischen Aufstands und Freiheitskampfes von 1956 gedenken, sollten Sie auch nicht vergessen, dass es jene, durch gerade diesen Aufstand in die Emigration gezwungene ungarische Jugend war, welche die Klosterburg und die Ortschaft Kastl -welche während der Nazizeit berüchtigt war und dessen Geschichte durch lokale Geschichtsschreiber auf arrogante Weise verschwiegen wurde-, berühmt gemacht hat.
Wir fordern Sie mit Nachdruck auf, entfernen Sie aus dem Rathaus unverzüglich das Porträt des ehemaligen Bürgermeisters der Nazi-Zeit, des Hitler-schnurrbärtigen Krämers, der bereits im Jahre 1935 eine Straße Kastls nach Adolf Hitler, dem Naziführer, benennen ließ (siehe hierzu: Schweppermannsbote vom Juni 2006, Seite 23, nach Unterlagen von Ludwig Siegl), und der mit dazu beitrug, dass zwischen 1942-1945 in der Kastler Klosterburg aus Slowenien verschleppte slowenische Kinder durch Nazi-Schergen gefangen gehalten und gequält wurden, nachdem ihre Eltern vergast oder erschossen worden waren.
Mit solch einem geschichtlichen Hintergrund belastet, sollte sowohl die örtliche Führung, sowie die des Landkreises nie und nimmer ihre Genehmigung dazu geben, dass rechtsextreme, faschistische Gruppierungen gerade in der Ortschaft Kastl ihre Großveranstaltung abhalten, was Sie leider vor drei Jahren genehmigt hatten.
Wieso wird bis zum heutigen Tag die örtliche wie auch die weitere politische und gesellschaftliche Führung wegen des Verschweigens der Wahrheit durch diese schwierige Verantwortung belastet?
Die Verantwortung belastet sie deshalb, weil das Verschweigen von Tatsachen immer dazu geeignet ist, um die Schuldigen zu rehabilitieren.
Es verwundert in diesem Zusammenhang auch, dass gelehrte Leute der Gemeinde Kastl weder im Sommer 2006 ein Wort über dieses Kinder-Gefangenenlager verlieren, - siehe wiederum den Schweppermannsboten vom Juni 2006 - , sowie auch noch nicht im Herbst 2006 sich dessen bewußt sind - hierzu siehe die Meldung in der Mittelbayerischen vom 07.09.2006 „Was für ein Lager war wirklich in Kastl?“ -, um sich dann plötzlich im Frühjahr 2007 ganz genau zu erinnern - dazu wiederum der Schweppermannsbote vom März 2007, Seite 21 „Slowenen Kinderlager auf der Klosterburg Kastl: Es ist in Kastl allgemein bekannt, dass von 1942 bis 1945 Kinder aus Slowenien auf der Klosterburg untergebracht waren“. Leider ist dieses Erinnern dann doch nicht so genau, schließlich fing der Autor erst gegen Ende des Jahres 2006 mit seinen Nachforschungen darüber an (siehe hierzu Bericht in der Mittelbayerischen vom 17.12.2006 „Ein Lager für gestohlene Kinder“
und dieselbe Person bezichtigt gar den Aufdecker dieser Tatsachen der Unwahrheit und der Verfassung von „hetzerischen Berichten“ - . Und, falls diese Tatsachen doch so allgemein bekannt gewesen waren, weshalb wurden sie dann schamhaft und standhaft die ganzen Jahrzehnte über verschwiegen?!
DIE SAMMELPLÄTZE DER
LAGERBEWOHNER
Nach Ende des Krieges leerten die amerikanischen Soldaten das Feldzeugmateriallager welches in den Räumen der Kaserne und der Wehrmachtschule im bayerischen Deggendorf untergebracht war, und änderten diese in Sammelplätze für die ehemaligen Lagerbewohner jugoslawischer Herkunft um.
Das war ein sehr großes Anwesen mit vielen Objekten. In der Mitte standen ein Springbrunnen und ein Turm mit Lautsprechern, durch das die Namen all derer durchgesagt wurden, die hierher gebracht wurden. So erfuhren wir, wer von wo stammte.
In der großen Halle eines der Gebäude war das provisorische Krankenhaus untergebracht. Die an Schnüren herabhängenden Soldatenklamotten unterschieden die Soldaten von den anderen Kranken, da diese nämlich andere Beschwerden und Krankheiten hatten.
Einige Gebäude wurden durch die amerikanischen Soldaten speziell als Unterkünfte für die Slowenen ausgewiesen. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Menschen, die die Konzentrationslager überlebt hatten, die krank oder hilflos waren. Zusammen mit meinem Bruder und meiner Schwester kam ich mit den Überlebenden des Lagers Flossenbürg in einen Raum. Unter ihnen befand sich auch der bekannte Anton Pinter und Ivan Horvat aus Maribor und Marjan aus Vrhnik, mit denen wir jeden Tag zum nahe gelegenen Bauernhof und ins Kloster Metten gingen, um Milch für unsere Kranken zu holen. Das in Kesseln gekochte Essen war schlecht, wir aßen vor allem gekochte Erbsen aus deutschen Lagerbeständen, von denen wir zu aller erst die oben auf schwimmenden Maden und Raupen abfischen mussten. Für meinen Bruder und meine Schwester bekam ich etwas Essen auch von der amerikanischen Küche, wo einer der Köche französisch konnte. Ich hatte noch vor dem Krieg in Maribor, in einem klassischen Gymnasium, etwas französisch gelernt.
In diesem Repatriationslager befanden sich alle möglichen Leute jugoslawischer Nationalität, mit den verschiedensten politischen Ansichten. Unter ihnen waren die Anhänger der Ustascha und der Tschetnik am meisten verfeindet. Sie vielen sogar gewalttätig aneinander, so dass die Militärpolizei eingreifen musste. Deshalb war es nicht ratsam sich außerhalb unserer Lagerobjekte zu bewegen, auch wenn die amerikanischen Soldaten mit besonderer Sorgfalt auf uns aufpassten. Verschiedene Delegationen kamen zu uns, so unter anderem auch eine königliche Abordnung aus London, die uns -ganz wie die amerikanischen Soldaten dieses zuvor anboten- davon überzeugen und überreden wollten, dass wir nach Amerika auswandern sollten, weil dort jeder auf Kosten des Staates lernen könne. Aus unseren Reihen nahm keiner irgendwelches Angebot an, da wir nach dreijährigem Lagerleiden endlich nach Hause gehen wollten.
Orozim Jose
Vielleicht war das Sammellager mit seinen Baracken am Ufer der Ilz, welches sich in der Nähe der malerischen Stadt Passau befand, mit etwas mehr Freiheiten ausgestattet. Das Lager befand sich an der gemeinsamen Mündung von Ilz und Inn in die Donau. Soweit ich mich erinnern kann, passte ein älterer amerikanischer Offizier auf uns auf, während die jüngeren Soldaten uns zum Tennisspielen einluden oder auch schon mal eine kleinere Gruppe von uns mit dem Motorboot für einige hundert Meter entlang der Flussmündung herumfuhren.
Außer uns befanden sich auch noch ungarische Internierte hier, denen - wegen der Zusammenarbeit ihres Landes mit dem Reich- nicht die gleiche Behandlung als uns gewährt wurde; sie mussten ihre Nahrung selber zubereiten, von irgendwoher konnten sie an Brot gelangen, so dass sie uns die Wecken als Gegenleistung für andere Sachen anboten.
Bezeichnend für den Ilz Fluss waren große Gezeitenschwankungen, da manchmal das Wasser ganz bis an die Oberkante des Ufers reichte, so dass man von den Fenstern einzelner Baracken hineinspringen konnte, und sonst war das Wasser ganz seicht. Wir lebten ungefähr einen Monat lang am Ufer der Ilz. Wir wurden dorthin gebracht, damit man uns dann mit dem Schiff bis Wien transportieren solle, welches zwar der kürzeste Weg gewesen wäre, und dann von dort bis nach Hause. Aber zu jener Zeit war diese Rechnung ein ziemlicher Quatsch, da kein solches Schiff zur Verfügung stand. Da blieb als einzig reale Möglichkeit nur der Zug. So fuhren wir, in Viehwaggons, einen großen Bogen beschreibend, eine Woche lang bis Jesenice.
Hribar Drago
Die traumatischen Erinnerungen blieben
Auch noch so viele Jahre nach dem II. Weltkrieg ist für mich die Erinnerung daran sehr traumatisch. Wir lebten in unserer Familie, - ich, meine Eltern und meine beiden Brüder, sowie meine Großmutter-, zwar bescheiden aber doch sehr glücklich. Ich war der Jüngste der Familie. Zu Beginn des Kriegs war ich noch keine 8 Jahre alt. Im April 1942 wurde mein Vater, in dessen Armen ich mich so sicher fühlte, festgenommen. Kurz darauf wurde er als Geisel erschossen. Irgendwann im August polterten Leute von der Gestapo mit ihren Gewehrkolben gegen drei Uhr Früh an unserer Tür. Innerhalb weniger Minuten mussten wir uns anziehen und schon wurden wir in einen Lastwagen gepfercht.
Celje - die Bezirksschule. Wir schlafen und kauern auf dem Boden wie verschreckte Tiere. Schon wieder steht die Gestapo in der Tür. Mit Händen, Fäusten, Gewehrkolben reißen sie die Kinder aus der Umarmung ihrer Mütter. Das Schreien und Gezeter ist unbeschreiblich. Die Mütter kämpfen wie verwundete Tiere um ihre Kinder. Umsonst. Der Todeszug wartet auf sie, der Zug, der sie nach Auschwitz bringt. Nein, sage ich, das kann nicht wahr sein. Die Hoffnung bereits verloren, umarme ich meine beiden Brüder.
Frohnleiten. Baracken, in deren Inneren sind Holzpritschen. Ich werde in ein Zimmer voller Mädchen gewiesen. Wieder steht die Gestapo in der Tür. Der große Lärm weckt mich auch aus dem Tiefschlaf. Ein schwerer Stiefel trat gegen jenen vollen Kübel, in welchen wir unsere Notdurft verrichteten, da die Latrine mehrere hundert Meter weit weg war. Sofort aufwischen! - erklang der Befehl. Angsterfüllt kletterten wir von unseren Nachtlagern und wischten den Unrat auf, welcher sich durch die Baracke ergoss. Ich fiel unmächtig zusammen. Die Ereignisse der nächsten Tage sind aus meinem Gedächtnis gelöscht. Ich habe sie mit hohem Fieber und Hitzewallungen durchlebt.
Transport nach Himmelberg. Eine schöne Ortschaft mit schönem Namen aber düsterer Atmosphäre. Mein einziger Trost ist, dass meine Brüder bei mir sind, so sehen wir uns wenigstens tagsüber. Nachts aber habe ich Angst. Im Etagenbett schlafe ich oben. Im Raum sind wir an die zwanzig-dreißig. Jede Nacht wache ich auf, klettere von der Pritsche und taumele im Raum herum. Morgens weiß ich nie wo ich aufwache. Es gibt keine Beleuchtung. Ich wage nicht zu sprechen. Meistens lege ich mich in irgendeiner Ecke auf den Boden, weil ich in der Dunkelheit mein Bett nicht finde. Ich werde sogar damit verdächtigt, dass ich mich damit beschäftige um etwas stehlen zu können. Ich wage nicht mich zu verteidigen. Ich weiß, dass ein Appell meistens nie was Gutes bringt.
Das Grauen erfasst mich regelmäßig, wenn ich daran denke, dass einer meiner Brüder in irgendeine Provokation gelangen könnten, da sie dann den Sanktionen nicht entgehen könnten. Ich fürchte mich auch vor dem Mittagessen. Vor dem Essen kommt immer der Lagerführer und verliest die Todesanzeigen. Diese und jene Mutter ist in Auschwitz gestorben. Danach kommt das “Gebet”, in dem wir dem “großen Führer” Dank sagen müssen, dass er uns Lebensmittel schenkt.
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Der Kastler Klosterburg, die zwischen 1942-1945 ein Nazi Kindergefängnis war
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Wir ziehen wieder um. Aber zuvor werden wir nach Altersgruppen selektiert. Auf mich und meine zwei Brüder wartete die Trennung. Das Schicksal wollte, dass jeder von uns in eine andere Gruppe und damit in ein anderes Lager gelangen sollte.
Saldenburg - ich bin auf mich alleine gestellt. Das war der Todesstoß, den meine sowieso schon tödlich verletzte Kinderseele erhielt. Ich wusste überhaupt nichts, was mit meiner Mutter war, wo meine Brüder waren. Ich glaube, ab dann habe ich in meiner Not nur noch herumvegetiert. Ich finde weder Worte noch Ausdrücke , mit denen man mein Leiden und meine Traumas beschreiben könnte, die nach all den Jahren unverheilt geblieben sind und über die ich auch heute noch kaum sprechen kann. Auch meine Kinder habe ich damit nicht vergiftet. Wieso auch? Die sollen auch weiterhin nur in mir bleiben; es langt, wenn sie meine Kindheit geraubt haben und ich deren Nachwirkungen mein ganzes Leben lang spüre. Man hat meine Würde und meine Selbstachtung genommen, etwas das sich während meines ganzen Lebens sowohl in meiner Privat- wie auch in meiner Berufswelt widerspiegelte.
In mir wohnte und ist immer noch ein Minderwertigkeitsgefühl und eine Angst vor erneuten Schlägen, die ich als unschuldiges, kleines Kind so grausam erlebt hatte. Ich behaupte mit Sicherheit, dass all das meine Lebensqualität beträchtlich beeinflusst hat.
(Erinnerungen von Ostir Mravljak Maria)
(An meine tote Mutter - H.D.)
Gedicht eines slowenischen Waisen
Ich wünsche es mir umsonst, die Sehnsucht quält mich
Ich wünsche meine Mutter zurück und rufe sie aus dem Grab zurück
Hörst Du Mutter, das sind nur Träume,
Es wartet doch das Dach zu Hause, wohin
Ich mit Dir Hand in Hand wieder zurückkehre.
Umsonst, das ist jetzt hier das Leben, die Wirklichkeit
Nur in unserer Seele leben Wünsche
Die mörderische Gegenwart fegte über uns hinweg, wie ein Orkan.
Das Licht, welches Du, Mutter, in mir entzündet hattest
Hat der Sturm der Zeit geraubt, zusammen mit meiner Jugend
An Allerseelen - Sasa S., Enkel (Schüler der 5. Klasse, 1976)
Wir gehen zum Grazer Friedhof. Aber wen suchen wir dort auf? Ich kenne ihn gar nicht. Ich schaute auf meinen Vater und dachte mir: er war dein Vater und sicherlich hast du ihn geliebt, so wie ich dich liebe. Jetzt gibt es ihn nicht mehr, und nach ihm blieben nur noch schöne Erinnerungen in anderen. Hattest Du ihn überhaupt gekannt, erinnerst du dich denn an ihn, wenn du gerade erst vier Jahre alt warst, als die Deutschen ihn erschossen? Ich denke, sicherlich, und ich finde auf weitere tausend Fragen keine Antwort. All das ist nicht leicht.
In aller Früh sind wir mit dem Wagen nach Graz losgefahren, der Großvater liegt dort in ewiger Ruhe. Dort haben wir alle je eine Kerze entzündet und vertieften uns in unsere Gedanken. Die ganze Zeit über schwelte in mir der Gedanke: das war mein Großvater, mein Opa, der Vater meines Vaters, der jetzt für alle Zeit in der Fremde geblieben ist und wir werden ihn nie mehr sehen, er wird nie mehr zurückehren, er bleibt dort für immer und ewig und wir werden nur noch zu Besuch zu ihm kommen....
Nachschrift:
Über die grausame Geschichte des SS Kinderlagers in der Klosterburg Kastl wurde in der Presse erst im September 2006 berichtet. Seit dem Erscheinen des Artikels hat der CSU Kreisvorsitzende und Insolvenzverwalter Herr Dr. Schwartz anläßlich einer Zusammenkunft in der Klosterburg bei der Begrüßung sich geweigert, mir die Hände zu schütteln. Zuvor wurden Unwahrheiten in der Presse verbreitet und mir und Herrn Kovacs in Abwesenheit Hausverbot erteilt, weil wir nicht bereit waren die Internetseite des Europäisch-Ungarischen Gymnasiums stillzulegen bzw. die Berichterstattung über die grausame Vergangenheit der Klosterburg einzustellen. Erst vor kurzem durften wir unsere persönlichen Sachen aus der Klosterburg abholen. Herr Schwartz hat höchstpersönlich Herrn Kovacs gegenüber mit einem Starfverfahren gedroht, sollte er sich ihm gegenüber nicht kooperativ verhalten. Es wurde alles Unternommen, um Mitglieder des Ungarischen Schulvereins, Gründer des Ungarischen Gymnasiums im Jahr 1956, von der Klosterburg fernzuhalten und dadurch die Möglichkeit eines Neubeginns unmöglich zu machen. Die Insolvenzanmeldung erfolgte auf Grund der Pfändung des Kontos der EUG gGmbH in Höhe von 30.000 Euro durch die ehemalige Schulleiterin, die wegen Falschaussage vor Gericht rechtskräftig verurteilt wurde. Mittlerweile sind die Schulden auf ein vielfaches angestiegen da der Insolvenzverwalter die Kündigungen nicht sofort aussprach und Mitarbeiter der EUG gGmbH ohne Bezahlung weiterarbeiten ließ. Nach Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters wurden über 23 arbeitsgerichtliche Verfahren von Mitarbeitern der EUG gGmbH gegen Herrn Schwartz angestrengt wegen unbezahlter Arbeitsleistung.
In einem Schreiben des Bayerischen Kultusministeriums zum Antrag des Ungarischen Schulvereins als neuer/alter Träger heißt es, Zitat: „...und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Äußerungen der bisherigen Geschäftsführer „zur verschwiegenen Vergangenheit der Klosterburg” und damit verbundenen Vorwürfe und Unterstellungen gegenüber Bürgern aus dem räumlichen Umfeld der Klosterburg eine unbelastete und erfolgreiche Fortsetzung des Schulbetriebs unter Trägerschaft des Ungarischen Schulvereins derzeit nicht vorstellbar. Nach Lesen dieses Schreibens mußte ich im Kalender nachsehen, ob wir das Jahr 1944 schreiben oder das Jahr 2006.
In Ungarn wird der Sünden der Deutschen Besatzung Jahr für Jahr auch in kleinen Gemeinden gedacht. Gedenktafel mahnen der unmenschlichen verbrechen.
Im zivilisierten Teil Europas ist es undenkbar, daß der Leiden 181 Kinder durch die Nazis in Vergessenheit gerät und gar beschtritten wird. Es ist nicht hinnehmbar, daß derer nicht gedacht wird, die am Ort des Verbrechens eine internationale Schule errichteten und damit die Gemeinde Kastl reinwuschen und international bekannt machten. Es ist geradezu untragbar, daß die örtliche Politik das Porträt des ehemaligen Nazibürgermeisters im Rathaus aushängt.
Wir glauben, daß es in Deutschland jene gibt,die bereit sind die Verantwortung zu tragen und
dafür sorgen, daß die Errinnerung an die Tragödie der 181 Kinder bleibt. Wir sind der Meinung, daß alle Eltern, die ihre Kinder in die Klosterburg schickten das Recht gehabt hätten zu wissen, was vor nicht allzu langer Zeit sich in der Klosterburg abgespielt hatte.
Attila Bodó Kirchsteuer
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Verwendete Literatur:
dr. Zmavc Janez: Zum 60. Jahrestag des Nazi-Genozids. Herausgegeben von drustvo taboriscnikov ukrdenih otrok Slovenije (Verband der im Lager lebenden verschleppten slowenischen Kinder)
dr. Kmecl Matjaz: Gedanken zum sechzigsten Jahrestag der Verschleppung der Kinder. (2002)
Stiglic Janez: Das Dekret Himmlers: Die Auflistung der Sammellager für die geraubten slowenischen Kinder
Tercak Stane: Verschleppte Kinder (1962)
Hillel Marc: Im Namen der Rasse
Mausbach H. und B.: Feinde des Lebens - NS Verbrechen an Kindern (Rödenberg Verlag, Frankfurt am Main, 1979)
HribarDrago : KL AUSCHWITZ - BIRKENAU (OSWIECIM - BRZEZINKA) KONZENTRATIONSLAGER (Verlag Zalozba Obzorja, Maribor, 1982)
Hribar Drago, Pajer Joze, Orozim Joze: DIE SAMMELPLÄTZE DER LAGERBEWOHNER
Zavrsnik Stanislava: DIE TRÄNEN WAREN ZU VIEL (Samisdatausgabe, Kamnik, 1998)
Orozim Joze : NEUMARKT, KASTL
Hribar Drago: DIE TRAUMATISCHEN ERINNERUNGEN BLIEBEN
Attila Kirchsteuer: SCHWARZE TAGE IN KASTL